Diese Region verzaubert, auch im Februar bei Nebel und Regen :)
Schon die Anreise, wenn sich die Hügel langsam aus dem Nebel erheben, wenn kleine Dörfer mit ihren Kirchtürmen zwischen den Reben auftauchen, macht deutlich – hier schlägt das Herz italienischer Weinkultur.
Unsere Reise begann frühmorgens in Zürich. Mit dem Auto machten wir uns auf den Weg ins Piemont, wo unser erster Halt Canale war. Der Hunger führte uns direkt in ein kleines Juwel. Le Tre Galline, ein Familienbetrieb, geführt von Mutter, Tochter und Nonna. Was uns hier serviert wurde, war bereits ein erstes kulinarisches Highlight – einfach, authentisch und voller Herz.
Gestärkt machten wir uns auf den Weg zur Cascina Chicco, dem Weingut der Familie Faccenda. Marta, die uns herzlich in Empfang nahm, zeigte uns die imposanten Azienda. Zwischendurch begegneten wir auch kurz Enrico Faccenda, einem der beiden Brüder – Mitinhaber der Azienda und Bürgermeister von Canale, entsprechend viel beschäftigt. Dennoch nahm er sich kurz Zeit für uns, und wir verabredeten uns gleich für ein Abendessen im Laufe der Woche.
Die anschliessende Degustation offenbarte grosse Klassiker wie unser Roero Arneis aber auch neue Entdeckungen wie den Barolo Ginestra, der uns sofort begeisterte. Mit diesem gelungenen Auftakt im Gepäck machten wir uns auf den Weg nach Alba, wo wir unser Airbnb für die Woche bezogen. Nach dem Ankommen und Auspacken liessen wir den ersten Tag bei einem gemütlichen Abendessen ausklingen.
Am nächsten Morgen führte uns die Reise nach Osten, in die sanften Hügel der Colli Tortonesi. Dort erwartete uns die Familie Coppi. Francesco, Enkel des legendären Radrennfahrers Fausto Coppi und Inhaber der Azienda Marina Coppi, nahm uns gemeinsam mit seiner Frau Anna herzlich in Empfang.
Oben auf den Hügeln zeigte er uns seine Rebberge – das Herzstück der Azienda. Im Mittelpunkt steht hier die autochthone Rebsorte Timorasso, die sich längst vom Geheimtipp zum Aushängeschild der Region entwickelt hat.
Nach einem Rundgang durch die Keller ging es zur Degustation der aktuellen Abfüllungen: präzise, elegant, tiefgründig – Weine mit Charakter, wie man sie nur hier findet.
Zum Abschluss fuhren wir gemeinsam ins Dorf, wo wir in einem kleinen Restaurant zu Mittag assen.
Gespräche, Lachen, Weine – genau diese Momente machen solche Besuche so besonders.
Am Abend zurück in Alba entdeckten Jenny und ich noch eine kleine Weinbar - Enoteca Cichin, in der wir unbekannte Etiketten degustieren konnten und den Abend mit tollen Gesprächen genossen haben.
Am dritten Tag standen gleich zwei Produzenten auf dem Programm. Frühmorgens ging es nach Barbaresco zu unserem Produzenten Musso. Dort trafen wir Valter, den Gründer, und seinen Sohn Emanuele, der das Weingut heute führt.
Die Cantina liegt direkt neben das von Gaja im kleinen Dorf Barbaresco. In den letzten Jahren hat die Familie viel investiert und die Kellerei umfassend saniert. Leider machte uns das Wetter mit starkem Nebel und Regen einen Strich durch die Rebberg-Tour. Dafür durften wir die neue Cantina besichtigen und im Degustationsraum eine breite Palette verkosten.
Neue Etiketten, aber auch altbekannte Klassiker wie sein Nebbiolo Langhe und auch sein Barbaresco Pora, die sich elegant, kraftvoll und mit dem unverkennbaren Charakter der Region präsentierten.
Im Anschluss spazierten wir zum Ristorante Antica Torre. Dort erwartete uns eines der besten Mittagessen.. Carne cruda und feine Tajarin – einfache Gerichte, die in ihrer Authentizität und Köstlichkeit kaum zu übertreffen sind.
Am Nachmittag führte uns die Reise weiter nach La Morra zu Renato Corino. Inmitten der Reben der Lage Vigneto Arborina liegt seine wunderschöne Azienda – ein Ort, der sofort Ruhe und Charakter ausstrahlt. Dort trafen wir auch Stefano, Renatos Sohn. Gemeinsam mit ihm durften wir die Weine der Familie verkosten.
Stefano hat nicht nur die Handschrift seines Vaters übernommen, sondern auch eigene Projekte ins Leben gerufen – jung, ambitioniert und voller Energie. Für uns bleibt das Faszinierende an den Corino-Weinen ihre unverkennbare Persönlichkeit: Sie sind wiedererkennbar, eigenständig und hauen uns jedes Mal aufs Neue um. Angefangen beim Nebbiolo Langhe bis hin zu den großen Baroli der Lagen Arborina und Rocche dell’Annunziata – sie alle beeindruckten mit Tiefe, Eleganz und Ausdruck.
Nach einem erlebnisreichen und emotionalen Tag ging es für uns zurück nach Alba wo wir mit Enrico Faccenda von Cascina Chicco zum Abendessen verabredet waren.
Enrico kam gemeinsam mit seinem Sohn Federico und seinem Neffen Stefano, welche beide mittlerweile auch im Familienbetrieb aktiv arbeiten. Wir trafen uns im Michelin-ausgezeichnetem Restaurant im Enoclub, dieses befindet sich in einer historischen „crota“, einem alten Kellergewölbe. Dicke Mauern aus Backstein, gedämpftes Licht, Geschichte zum Anfassen.
Danach spazierten wir noch gemeinsam durch die Altstadt von Alba, während Enrico uns Geschichten über seine Heimat erzählte.
Ein Abend voller Gespräche über Wein, Familie und die Zukunft – für uns ein ganz besonderes Erlebnis.
Der Freitag war unser letzter Tag im Piemont. Auf dem Programm stand die Tenuta il Falchetto in Santo Stefano Belbo. Nebel und Regen begleiteten uns auch an diesem Tag – perfektes Wetter, um sich drinnen aufzuwärmen und Barbera zu verkosten.
Nach einer 40-minütigen Fahrt erreichten wir die Azienda und wurden von Giorgio und seiner Tochter Margherita, herzlich begrüsst. Die Tenuta ist ebenfalls ein grosses Familienunternehmen, geführt von den Brüdern Giorgio, Fabrizio und Adriano Forno. Auch die nächste Generation ist bereits fest eingebunden - Margherita arbeitet nach verschiedenen Auslandsaufenthalten und einem Studium nun aktiv im Betrieb mit, ist im Keller tätig und begleitet ihren Vater auch regelmässig an Weinmessen.
Nach einer grossen Tour durch die Kellerei und den Barrique-Keller, in dem unter anderem unsere Weine Bricco Paradiso und Bricco Rocche ausgebaut werden, folgte die obligate Degustation. Wir probierten die neuen Jahrgänge der Barberas, den berühmten Moscato und als Überraschung auch einen neuen, im Holzfass ausgebauten Chardonnay.
Die Familie Forno verbindet Tradition mit Innovation und Nachhaltigkeit mit Leidenschaft. Kein Wunder, dass ihre Barberas und der Moscato zu den besten der Region zählen.
Direkt neben der Kellerei entsteht derzeit ein neuer Degustations- und Eventraum mit grosser Küche sowie einige Gästezimmer für den Enotourismus. Zwar war der Bau noch nicht abgeschlossen, doch wir durften bereits einen Blick hineinwerfen und waren sofort begeistert.
Am Abend führte uns Margherita in ein kleines Restaurant einer Freundin, wo wir bei feinem Essen und guten Gesprächen den letzten Abend unserer Reise ausklingen liessen.
Am Samstagmorgen hiess es Abschied nehmen. Mit vielen neuen Eindrücken, grossartigen Begegnungen, unvergesslichen kulinarischen Erlebnissen und natürlich der einen oder anderen Flasche im Gepäck traten wir die Heimreise an.
Für uns war es mehr als nur eine Reise, es war ein Eintauchen in die Welt des Piemonts, in Freundschaften, die seit Jahrzehnten bestehen, und in eine Kultur, die wir bewahren und weitertragen möchten.
Tullio und Sergio haben über die Jahre tiefe Verbindungen zu dieser Region aufgebaut. Zu sehen, wie diese Freundschaften gepflegt werden und wie wir als junge Generation diesen Weg weitergehen dürfen, erfüllt uns mit Stolz und Dankbarkeit.
Grazie mille, Piemont – a presto!
Marisa